Blitzenreuter Seenplatte (Druckversion)

Streunutzung - Streuwiesen im Ried

Streuwiesen entstanden in Oberschwaben, im Allgäu und am Bodensee im Zuge der Ausbreitung der Milchviehwirtschaft. Nach dem Bau der Südbahn 1850 konnten Milchprodukte leichter in den städtischen Zentren vermarktet werden. Um den Milchertrag zu erhöhen, wurde die ganzjährige Stallhaltung von Milchkühen eingeführt. Dadurch kam es zu einem hohen Bedarf an Einstreu.

Neben der Verwendung von Torf wurden zum Zwecke der Einstreugewinnung nun die Streuwiesen im Herbst oder Winter, wenn die oberirdischen Pflanzenteile bereits weitgehend abgestorben waren, von Hand gemäht. Da eine Düngung zu einer Verdrängung der wertvollen Streu liefernden Arten geführt hätte, wurden diese Wiesen nicht gedüngt. Durch diese Nutzung entstanden im Laufe der Zeit die typischen Streuwiesen. Der Höhepunkt der Streuwiesenkultur wurde in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erreicht.

Durch die einmalige Mahd können sich alle Pflanzen der Streuwiesen ungestört entwickeln, daher zeichnen sich die Pfeifengras-Streuwiesen oft durch reichen Blütenflor vom Frühjahr bis zum Herbst aus. Besonders in Streuwiesen auf nährstoffarmen, kalkreichen Standorten können sehr viele Pflanzenarten nebeneinander existieren, darunter auffallend viele, die in der Roten Liste stehen. Es wurden Bestände mit 60 bis 100 Pflanzenarten beschrieben. Pfeifengras-Streuwiesen gehören somit zu den artenreichsten Grünlandgesellschaften Mitteleuropas. Optisch unterscheiden sich die Streuwiesen von den immergrünen Futterwiesen durch die gelb-braunen Farbtöne.

Auf den zweiten Blick erkennt man diese Grünlandformation am Vorkommen solcher Pflanzenarten, deren Lebensrhythmus an die Herbstmahd besonders gut angepasst ist. Dazu zählen das namensgebende Pfeifengras, der Schwalbenwurz-Enzian, die Blutwurz, der Teufelsabbiss, das gemeine Fettkraut, die Trollblume und Orchideen, wie Knabenkräuter, Sumpfständelwurz und Waldhyazinthe. Die Bauern von Blitzenreute hatten hauptsächlich „ihre“ Streuwiesen im Häckler Ried und im Einödried. Es wurde eine kleine Jahrespacht an die Gemeindekasse gezahlt. Gemäht wurde bis um 1960 im gefrorenen Ried. Die Streu wurde nur in Notfällen an Kühe verfüttert.

Durch Entwässerung, Düngung und Vorverlegung des Schnitts in die Sommermonate können Streuwiesen jedoch relativ leicht in Futterwiesen umgewandelt werden. Dies ist auch der Grund dafür, dass es diesen Wiesentyp heute kaum noch gibt. Nicht rentabel meliorierbare Bestände sind großflächig „verbracht“, nicht mehr bewirtschaftete Streuwiesen gehen in der Regel rasch in Schilfröhrichte über.

Durch Naturschutzvereine, Naturschutzbehörden und Landschaftspflegeverbände werden in manchen Gebieten jedoch Restflächen durch regelmäßige Herbstmahd erhalten. Häufig vorkommende Tierarten: Heuschrecken, Schmetterlinge, Amphibien, Vögel z.B. Großer Brachvogel, Bekassine, Kiebitz, Braunkehlchen. Streuwiesen zählen zu den „lebendigsten” Lebensräumen Mitteleuropas (UMWELTMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG 1995: 37).

Einzelnachweise

  1. Webseite der Koordinationsstelle der Allgäuer Streueverwertung.
  2. Informationen zu Pflanzengesellschaften: Junco-Molinietum caeruleae auf: www.floraweb.de
  3. 1.8 Juncus-Succisa pratensis-Gesellschaft. In: M. Burkart, H. Dierschke, N. Hölzel, B. Nowak, T. Fartmann: Molinio-Arrhenatheretea (E1) - Kulturgrasland und verwandte Vegetationstypen; Teil 2: Molinietalia - Futter- und Streuwiesen feucht-nasser Standorte. Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands. Vol. 9, Göttingen 2004, S. 35.
  4. 17. Ass: Molinietum caerulae. In: Erich Oberdorfer: Süddeutsche Pflanzengesellschaften. Teil III. G. Fischer Verlag, Stuttgart/New York 1983, S. 386.
  5. Die Vegetation der Streuwiesen auf der Webseite der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg.

Literatur

M. Burkart, H. Dierschke, N. Hölzel, B. Nowak, T. Fartmann:
Molinio-Arrhenatheretea (E1) - Kulturgrasland und verwandte Vegetationstypen; Teil 2: Molinietalia - Futter- und Streuwiesen feucht-nasser Standorte. Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands. Vol. 9, Göttingen 2004.

H. Dierschke, G. Briemle:
Kulturgrasland. Wiesen, Weiden und verwandte Staudenfluren. Ulmer-Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5641-2.

B. Quinger, B. Quinger, Bay. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.):
Lebensraumtyp Streuwiesen. Landschaftspflegekonzept Bayern, Bay. Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, München 1995, ISBN 3-931175-08-1.

A. Kapfer, A. u. W. Konold, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.):
Streuwiesen. Relikte vergangener Landbewirtschaftung mit hohem ökologischen Wert. In: Naturlandschaft, Kulturlandschaft. Der Bürger im Staat. 44. Jg. Heft 1 1994, S. 50-54.

H. Ellenberg:
Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologische Sicht. Ulmer-Verlag, Stuttgart, 1982.

Erstellt: 02.09.2013  Torsten Alt

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